Sonntag, 14. März 2010

Liebe geht durch den Kopf: Blog von HG Hildebrandt






























Liebe geht durch den Kopf - Mad Hairstyling History Series


Zum Glück beweisen ab und zu Leute wie Marc Menden, dass man auch mit wenig Geld
wirksame Werbung machen kann.

Mein erster Kontakt mit dem Verrückten von der Zweierstrasse lief über das Zürcher Büro
für Grafikdesign «L'Altro». Ich sollte eine Headline und einen kurzen Text schreiben für einen
Aushang im Tram. Jakob Schiratzki und Cyril Brunner, so die Namen der Leute hinter L'Altro,
waren damals, etwa 1993, berüchtigt für ihren absolut eigenständigen, gerne auch absolut
unverständlichen visuellen Stil.

Dem Texter muss so was egal sein. «Liebe geht durch den Kopf», textete der Texter, und
schrieb eine trümmlige sog. «Copy» (das ist edel für «Text») auf einen Flyer, der dem 10 %
Rabatt einbrachte, der ihn bei mad an der Zweierstrasse vorbeibrachte. Flyer-Kultur, Street
Paraden, Technomusik generell und auch gewagte Grafik, all diese Phänomene befanden
sich damals noch in ihren Anfängen. Der Aushang im Tram jedoch, das finde ich auch
heute noch, war beispielhaft für ein gelungenes Design in schwierigem, weil eher
aufmerksamkeitsschwachen Umfeld.

Das sollte der Beginn einer fruchtbaren Zusammenarbeit sein. L'Altro betreute während
mehrerer Jahre die wenigen, aber immer interessanten Aufträge, die Marc Menden bei
seinem doch eher karg dotierten Budget so vergeben hat.
Besonders spannend waren damals die Fächer, die mit dem üblichen Zehn-Prozent-Trick
versehen unter die Leute gestreut wurden. Der leuchtfarbige Fächer Jahrgang 98 war so
ziemlich auf jedem Bild zu sehen, das von der Street Parade in jenem Jahr geschossen
wurde. Und auch sein Vorgängermodell in knallgrün mit den sogenannten «Windfraueli»
drauf war ein grosser Erfolg. «Shake hands with mad» stand darauf, in Anspielung auf die
typische Handbewegung, die man beim Fächern halt macht. Für eine Guerilla-Massnahme
waren diese Fächer, hergestellt irgendwo im fernen Osten für fast kein Geld, fast schon
beängstigend erfolgreich.

Ebenso legendär ist die bis heute andauernde Anzeigenserie im Ausgehblatt «forecast». So
scheute man für die Weihnachtsanzeige Jahrgang 97 nicht davor zurück, einer Dame die
Intimbeha arung in Tannenbäumli-Form zu stutzen, grün einzufärben zu fotografieren und
vom Texter drüber schreiben zu lassen: «Nein, auch im Winter, wenn es schneid't».
Anschliessend wurde die Anzeige auf einer halben Seite abgedruckt. Das waren die wilden
Tage, muss man im Rückblick sagen. Ebenfalls dadaistisch-nett das Sujet «Scherereien»,
oder, ganz avantgardistisch zu Zeiten, als noch praktisch niemand «Internet hatte» ganz
einfach eine kleine Website im Einviertelseiten-Format ins Blatt zu rücken und sie
«Supertschüss People Homepage» zu nennen. Darauf zu sehen waren «Szenenleute» im
Zustand der fortgeschrittenen Beschickertheit. Irgendwie ist das Internet nie über diese Art
Witz hinausgekommen, wenn man sich die heutige Partyberichterstattung so ansieht.
Insgesamt sei hier ein Wort des Texters an alle Leute gerichtet, die vor Werbung
zurückschrecken, weil sie glauben, kein Geld zu haben. Tut es trotzdem, macht es wie
Marc Menden, der statt teurer «richtiger» Werber lieber Kumpels für einen Haarschnitt
schreiben lässt, der junge Talente entdeckt und auch arbeiten lässt.
Für einen Haarschnitt
statt ein Honorar zu werben, schon das ist reinstes Guerilla-Gefühl.

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